Internationalismus heißt: Solidarität mit der Bevölkerung in Palästina und Israel! Solidarität mit den Lohnabhängigen weltweit – auch in Deutschland!

Distanzierung vom BuKo-Beschluss „Gegen jeden Antisemitismus“

Der Bundeskongress der Linksjugend [‘solid] vom 17. bis 19. April in Erfurt stellt einen Tiefpunkt in der Geschichte des Verbandes dar. Bereits im Zuge der Verabschiedung des Leitantrags zeichnete sich ab, dass eine eindeutige, antikapitalistische Systemkritik – wie sie in einer Jugendorganisation mit sozialistischem Anspruch eigentlich selbstverständlich sein müsste – keine Mehrheiten finden konnte. So wurden Änderungsanträge, die auf die Funktion von Rassismus für das kapitalistische Ausbeutungssystem hinwiesen und einen klaren Klassenstandpunkt für die Ausrichtung des Verbandes forderten, konsequent abgelehnt. Es wurde ein Leitantrag verabschiedet, der sich zwar bürgerlich-moralisch gegen Geschlechterdiskriminierung, Prekarisierung und Rassismus positioniert, jedoch weder eine marxistische Analyse noch eine sozialistische Perspektive erkennen lässt. Die Hegemonie „antideutscher“ Positionen unter den anwesenden Delegierten hatte zur Folge, dass linke, antimilitaristische und antikapitalistische Initiativen gegen neoliberale und neokonservative Mehrheiten beim Bundeskongress in der Minderheit waren. Dies konnte die Tagesleitung nicht davon abbringen, diese Minderheit mit bürokratischen Mitteln „mundtot“ zu machen. Verkürzte Redezeit, Unterbrechungen und das Kommentieren von persönlichen Erklärungen waren die Regel.

Das neokonservative und militaristische Spektrum der sogenannten „Antideutschen“ konnte diese Mehrheitsverhältnisse dazu nutzen, einen Beschluss durchzusetzen, der sich oberflächlich gegen Antisemitismus positioniert, de facto aber ein Versuch ist, linke, sozialistische und antiimperialistische Positionen zu delegitimieren und Genoss_innen fälschlicherweise als Antisemit_innen zu denunzieren. So konnte beschlossen werden, dass es als antisemitisch anzusehen sei, infolge von Attacken des israelischen Militärs Begriffe wie „Apartheidsstaat“ oder „Genozid“ auszusprechen. Angesichts der Bombardierung des Gazastreifens im letzten Jahr, in deren Folge Wohnviertel zerbombt und unzählige Zivilist_innen ermordet wurden, wird klar, dass es den Unterstützer_innen dieses Antrages nicht darum geht, sich für Frieden im Nahen Osten oder für eine Gleichbehandlung aller Menschen einzusetzen und Antisemitismus (wie allen Formen der Menschenverachtung) entgegenzutreten. Vielmehr ist es das Ziel, Kritik an den Kriegen Israels und der neokolonialen Besatzung des Gazastreifens sowie des Westjordanlandes zu zensieren.

2014 wurden durch den israelischen Staat so viele Palästinenser_Innen ermordet wie in keinem Jahr seit 1967. Die Bevölkerung in Gaza, dem größten Freiluftgefängnis der Welt, besteht zu ¾ aus Geflüchteten, die in Lagern leben, über die Hälfte der Menschen sind unter 15. Sie sind seit Jahrzehnten Opfer von Gewaltexzessen durch den israelischen Staat. Aber nicht die israelische Bevölkerung oder Linke, sondern die israelische Regierung sind die Feldherren dieser Kriege. In den letzten Jahren gab es immer wieder Bewegungen – wie Teile der Friedensbewegung, Refugee-Streik-Bewegungen, einfache Streiks oder die Zelt-Bewegung – die sich über die rassistische Grenzziehung der Regierung hinwegsetzten und sich gemeinsam mit Teilen der arabischen und palästinensischen Bevölkerung organisierten. An ihrer aller Seite steht unsere Solidarität – nicht aber die der israelischen Regierung. Das bedeutet auch eine konsequente Ablehnung von Waffenlieferungen an den israelischen Staat, eine Unterstützung israelischer Wehrdienstverweigerer und linker Bewegungen gegen die Besatzung und für Frieden in Israel und Palästina.

Egal welcher Nation, Ethnie oder welchen Geschlechts – Netanjahu und Wurmfortsatz bekämpfen linke Opposition konsequent. Aber nur ein Bruch mit dem kapitalistischen System und seinen Regierungen kann Rassismen wie dem Antisemitismus ein Ende setzen! Eine Solidarisierung mit ihnen bedeutet die Abwendung von einem Klassenstandpunkt und eine Solidarisierung mit reaktionären Angriffen auf die linke Bewegung in Israel/Palästina und mit der Kriegshetze der israelischen Regierung. Die israelische Regierung steht an der Seite des Kapitals. Sie ist der Grund für Kürzungen, die Verarmung von Teilen der Bevölkerung, Diskriminierung und treibt die arabische, muslimische, palästinensische, beduinische, atheistische… und auch jüdische Bevölkerung regelmäßig in den Krieg: Der Zionismus selbst ist eine Bedrohung für die jüdische Bevölkerung!

Aber nicht nur in der Frage von Israel/Palästina hat der BAK Shalom auf diesem Buko seine Abscheu vor linken Positionen bewiesen. Auch mit dem Spruch „Wir sind die Mauer – das Volk muss weg“, der auf einem Transpi und in Sprechchören zu betrauern war, entsolidarisierten sich BAK Shalom und Co. von der Mehrheit der deutschen Bevölkerung mit dem Vorwurf, diese sei rassistisch, sexistisch und reaktionär.Damit befördern sie selbst nationalistische Klischees und die Gleichsetzung von Staat, Nation und Bevölkerung. Diese Position, die darauf verzichtet für den Kampf der Mehrheit der Bevölkerung gegen die „1%“ einzutreten, zog sich durch alle von BAK Shalom und Gefolgschaft vertretenen Positionen.

Dass den Unterstützer_innen des Antisemitismus-Antrages nicht um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema gelegen war, ist nicht zuletzt daran zu erkennen, dass ein Änderungsantrag abgelehnt worden ist, der eine solidarische Debatte zum Themenkomplex Antisemitismus im Verband anstoßen und auf Grundlage der Diskussionsergebnisse zur Erarbeitung einer Positionierung führen sollte. Statt sich auf diesen Kompromissvorschlag einzulassen, stimmte die „antideutsche“ Mehrheit den Änderungsantrag nieder. Dieses Vorgehen reiht sich in eine lange Linie von Versuchen ein, Genoss_innen aus dem Verband zu drängen, die klar Position gegen Krieg und Imperialismus beziehen. Auch wird im Beschluss behauptet, dass Antisemitismus in Form von „regressiver Kapitalismuskritik“ innerhalb der Linken verbreitet sei, was darauf abzielt, Kritik an den Profiteuren des Kapitalismus als regressiv und somit strukturell antisemitisch zu verunglimpfen. Damit soll die Grundlage geschaffen werden, eine notwendige antikapitalistische Systemkritik auf Dauer unmöglich zu machen.

Neben den politisch-inhaltlichen Anfeindungen wurden von Anhänger_innen des rechten Flügels zu diesem Zweck auch persönliche Angriffe und Diffamierungen eingesetzt. Exemplarisch sollten hier zum einen das Entfernen eines Banners der Genoss_innen aus Hamburg erwähnt werden, das sich kritisch mit der rot-rot-grünen Regierung in Thüringen auseinandersetzte und zum anderen der Umgang mit der nordrhein-westfälischen Delegation, die systematisch diffamiert und unter Generalverdacht gestellt wurde. Auch wurde online, zum Beispiel auf Twitter, mit Aussagen wie „Hamburg soll brennen“ massiv unsolidarisch gegen die Landesverbände Rheinland-Pfalz, Hamburg und NRW gehetzt.

Wir beobachten mit Sorge, dass sich neoliberale, reaktionäre Positionen wie die der sogenannten „Antideutschen“ innerhalb mancher Strukturen durchsetzen können und stellen mit Erschrecken fest, welche Dimension der Einfluss solcher Denkannahmen in der Linksjugend zuletzt auf dem Bundeskongress angenommen hat. Wir werden uns weiterhin für den Aufbau antikapitalistischer und revolutionärer Massenbewegungen zur Überwindung des Kapitalismus einsetzen und notwendige Kritik an der herrschenden Klasse als direkte Profiteurin neoliberaler und kriegerischer Politik üben. Rassismus, wie zum Beispiel Antisemitismus, werden wir überall bekämpfen. Hierzu müssen antikapitalistische Politik vorangetrieben, Positionierungen gegen Kriegs- und Besatzungspolitik gestärkt und neoliberalen Angriffen Einhalt geboten werden.

Der Beschluss „Gegen jeden Antisemitismus“ des Bundeskongresses zielt einzig und allein darauf ab, dies mit ebenso zynischen wie absurden Antisemitismusvorwürfen zu verhindern. Wir erkennen ihn deshalb nicht an und stellen klar, dass er keinerlei Auswirkungen auf unsere praktische, politische Arbeit haben wird.

Linke Positionen sind für uns solche, die die Solidarität mit der lohnabhängigen Bevölkerung als Grundlage ihrer Praxis sehen. Für diese Positionen kämpfen wir in der Gesellschaft, nur solche Positionen sind aus unserer Sicht Teil des Programms eines sozialistischen Jugendverbandes.

Sollte der Beschluss als Rechtfertigung dafür missbraucht werden, Genoss_innen wegen ihrer Teilnahme an palästinasolidarischen Veranstaltungen oder wegen der Kritik am Zionismus und der rechten israelischen Regierung und ihrer Kriegs- und Besatzungspolitik im Namen des Bundesverbandes zu diffamieren oder sogar auszuschließen, werden wir dies unter keinen Umständen tolerieren. Die bedauerlichen Ereignisse des Bundeskongresses sind für uns kein Grund, unseren Kampf um revolutionär-sozialistische Positionen im Jugendverband aufzugeben. Wir werden auch weiterhin für einen sozialistischen Verband kämpfen, der diesen Namen auch wirklich verdient.

„Ein Drittel aller Deutschen meint: Demokratie geht nur ohne Kapitalismus, 20% befürworten schon jetzt die Revolution. Auf dieser Grundlage lässt sich aufbauen – an der Seite der Mehrheit der Weltbevölkerung sehen wir das Potenzial für eine linke Bewegung die ihren Namen verdient!“

Unterzeichner_innen:

Linksjugend [‚solid] Landesverband Hamburg

Linksjugend [‚solid] Landesverband Rheinland-Pfalz

Linksjugend [‚solid] Landesverband Nordrhein-Westfalen

Linksjugend [‚solid] Basisgruppe Hildesheim

Linksjugend [‚solid] Basisgruppe Kreis Wesel

Linksjugend [‚solid] Basisgruppe Braunschweig

LAK AuF der Linksjugend [‚solid] Niedersachsen

Yannic Dyck (Basisgruppenrats-Präsidium Niedersachsen)

Elias Dix (Basisgruppenrats-Präsidium Niedersachsen)

Martin Schefferski (Landesverband Bremen)

Michael Koschitzki (Landesverband Berlin)

Rahmet Yelken (Landessprecher Niedersachsen)

Gunnar Buckendahl (Vorstandsmitglied DIE LINKE Hildesheim)

Silja Rehmke (Landesverband Bremen)

Manuel Dornieden (Landesverband Niedersachsen)

Johannes Drücker (Kreisvorsitzender DIE LINKE Hannover)

André Voß (Landesverband Schlesweig-Holstein)

Jens Jaschik (Landesverband Nordrhein-Westfalen)

Felix Jaschik (Landesverband Nordrhein-Westfalen)

Lukas Zöbelein (Kandidat DIE LINKE für die Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven)

Tobias Giebert (Landesverband Niedersachsen)

Melena Wartajanz (KV Hildesheim)

Sebastian Rave (Landesverband Bremen)

Markus Bögner (Landesverband NRW)

Yasmin Nahhass (SDS NRW)

David Redelberger (Die LINKE Kassel)

Linksjugend [‚solid] Basisgruppe Ruhr

Linksjugend [‚solid] Basisgruppe Lüneburg

Florian Gruhl (LV Niedersachsen)

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